Medizinische Versorgung in ländlichen Gebieten – Ein digitales Zukunftsprojekt

Die Universitätsaugenklinik unter der Leitung von Prof. Dr. Hagen Thieme hatte kürzlich zu der Filmpremiere „Auf Sicht fahren“ eingeladen. In dem Film ging es um augenärztliche Versorgungsengpässe in der Altmark. Prof. Thieme zeigte gemeinsam mit der HealthCare Futurists GmbH aus Köln, wie man Versorgung für Patient:innen in ländlichen Regionen absichern kann und den medizinischen Fortschrift, die Telemedizin, dahin bringt, wo er gebraucht wird.
 
Ein zum Maker Mobil umgebauter Kleintransporter, der von den HealthCare Futurists betrieben wird, wurde mit modernsten Gerätschaften zur Augendiagnostik ausgestattet. Bereit für den Einsatz in der telemedizinischen Kommunikation parkte er mitten auf dem Marktplatz in Osterburg. Schnell bildete sich rund um den mobilen Untersuchungsraum eine Schlange von neugierigen Passantinnen und Passanten, die sich untersuchen lassen wollten. Das Konzept der Datenübermittlung und Ferndiagnose über einen Facharzt oder eine Fachärztin in der Universitätsaugenklinik in Magdeburg verbunden mit einer schnellen Diagnosestellung kam gut an. „Die Patientinnen und Patienten konnten per Ferndiagnose behandelt werden”, so Dr. Gantner. Der Chef-Ophthalmologe Prof. Thieme erklärt: „Wir wollen mit dieser Filmpremiere die Politik überzeugen, uns nicht nur in der Augenheilkunde, sondern in vielen anderen Fachbereichen zu unterstützen und damit die Versorgung von Patienten in den betroffenen Regionen deutlich zu verbessern.“
 
Alle Teilnehmer:innen der Podiumsdiskussion, die von Dr. Tobias Gantner, selbst Arzt und Gründer sowie Geschäftsführer der HealthCare Futurists GmbH moderiert wurde, waren sich einig, dass der Dokumentarfilm die allgemeine Situation der Patientenversorgung in den ländlichen Gebieten authentisch wiedergab und dass es insgesamt vieles zu verbessern gäbe, so auch Gesundheitsministerin Petra Grimm–Benne (SPD), die sagte: "Wir müssen es schaffen, im ländlichen Raum eine gute medizinische Versorgung sicherzustellen. Dabei geht es auch um gleiche Lebensverhältnisse in Stadt und Land. Der ländliche Raum darf nicht abgehängt werden." Dafür sei aus Ihrer Sicht eine gute Kommunikation vor allem mit der älteren Bevölkerung wichtig. „Ärztliche Versorgung ist im Kern Beziehungsarbeit, die durch Digitalisierung gut unterstützt, aber keineswegs ersetzt werden kann“, sagt Grimm-Benne.
 
Das wäre auch nicht das Ziel von Prof. Thieme: „Wir wollen nicht die Ärzte ersetzen, sondern die Versorgung in ländlichen Gebieten verbessern, so Thieme.
Prof. Dr. Armin Willingmann (SPD), Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt, betonte: „Im ländlichen Raum brauchen wir andere, ergänzende Angebote medizinischer Versorgung. Dafür müssen rechtliche Hürden überwunden, vor allem aber auch technische Voraussetzungen geschaffen werden. Ist dies der Fall, kommt der Universitätsmedizin auch in der Fläche besondere Bedeutung zu.“
Dr. Jörg Böhme, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt, sieht die Telemedizin und gute ergänzende mobile Angebote als gute Zusatzangebote für die Zukunft.
 
Anfang März erhielten die beiden Universitätskliniken Magdeburg und Halle in Sachsen-Anhalt durch einen Vertrag mit dem Land insgesamt 434 Mio. Euro. Mit 247 Mio. Euro geht ein Großteil der Summe an die Uniklinik Magdeburg. Damit soll in Infrastruktur investiert und Innovationsoffensive gestartet werden. Ziel ist eine hochmoderne Krankenversorgung, die für künftige Pandemien besser gerüstet ist. Ein Teil des vorgesehenen Budgets soll auch in die Digitalisierung der Krankenversorgung investiert werden.
 
Dr. Kerstin Stachel, Kaufmännische Direktorin des Universitätsklinikums, sieht vor allem noch viele rechtliche Punkte bei telemedizinischen Angeboten ungeklärt. „Wenn man die Gesundheitsberufe ertüchtigen dürfte, solche Untersuchungen durchzuführen und an uns anzubinden, dann bieten diese Modelle große Chancen, medizinische Versorgung in diesen Gebieten aufrecht zu erhalten, so Dr. Stachel.
 
Für Prof. Dr. Hans-Jochen Heinze, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums, bestehe das Problem nicht in einem Ärztemangel, sondern in der Verteilung der Ärzte. Die ärztliche Qualität konzentriere sich meistens aus ökonomischen Gründen in den Großstädten. Sein Ansatz wäre die Gesundheitsversorgung vielfältig zu verankern. „Das bedeutet zum einen, dass wir Menschen benötigen, die in der Gesundheitsversorgung ausgebildet sind, um zu helfen. Hier wäre die Politik gefordert Gesundheitsfachberufe zu akademisieren, damit diese selbstständig arbeiten können. Andererseits müssen wir in die Digitalisierung und in die moderne Medizin, in die Telemedizin und Robotik investieren. Ich bin bei allen Schwierigkeiten optimistisch, dass wir das in den nächsten Jahren sehr gut hinbekommen.“
 
 
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Die im Film aufgeworfenen Fragen wurden in der anschließenden Podiumsdiskussion besprochen. (v.l.) Dr. Kerstin Stachel, Kaufmännische Direktorin des Universitätsklinikums, Prof. Dr. Armin Willingmann (SPD), Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt, Petra Grimm-Benne (SPD), Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt, Prof. Hans-Jochen Heinze, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums und Dr. Jörg. Böhme, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt, und nahmen daran teil.  Dr med. T. Gantner führte durch die Veranstaltung und moderierte die Podiumsdiskussion.
Foto2:
Das Innere des Maker Mobil, ausgestattet mit modernen Gerätschaften zur Augendiagnostik
Fotografin: Melitta Schubert, UMMD