Atmen, ohne Luft zu holen
Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert mikrobiologische Forschergruppe
Universitätsklinikum Jena
Als das "dreckige Dutzend" werden zwölf hochgiftige, chlorhaltige Substanzen bezeichnet, die in Pflanzenschutzmitteln und zahlreichen Industriechemikalien lange Zeit Verwendung fanden. Inzwischen in vielen Ländern verboten, gehört das "dreckige Dutzend" weltweit noch immer zu den Altlasten. "Diese Verbindungen sind überaus langlebig und in der Umwelt fast überall zu finden", weiß Prof. Dr. Gabriele Diekert von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Selbst im arktischen Eis, so die Inhaberin des Lehrstuhls für Angewandte und Ökologische Mikrobiologie, ließen sie sich nachweisen.
Doch nicht erst der Mensch hat die gefährlichen Chlor- und andere
Halogenverbindungen in die Umwelt gebracht. Auch viele Mikroorganismen
produzieren halogenierte Kohlenwasserstoffe - und das bereits seit
Jahrmillionen. "Etwa 4.000 solcher natürlich entstandenen Substanzen sind heute bekannt", sagt Prof. Diekert. Doch anders als die vom Menschen produzierten Verbindungen, reichern sich diese nicht in der Umwelt an. "Es muss also natürliche Abbaumechanismen für halogenierte Kohlenwasserstoffe geben", so Prof. Diekert.
Diesen Mechanismen will sich nun eine neue Forschergruppe der Mikrobiologen von der Jenaer Universität zuwenden. Das Team um Prof. Diekert untersucht in den kommenden drei Jahren Bakterien, die ohne Sauerstoff leben und stattdessen giftige Chlorverbindungen zur Energieversorgung in einer anaeroben Atmung nutzen ("Organohalid-Respiration"). Die Forschergruppe "Anaerobic Biological Dehalogenation" wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Die Friedrich-Schiller-Universität Jena wird dabei mit über 450.000 Euro unterstützt.
Im Mittelpunkt der Forschung stehen Mikroorganismen, die zum Beispiel zu den Gattungen Sulfurospirillum, Desulfitobacterium oder Dehalococcoides gehören. Die Mechanismen, die es diesen Bakterien erlauben, ohne Sauerstoff zu atmen und dabei Chlorsubstrate zu dechlorieren, sind noch weitestgehend unverstanden. Dies wollen die Forscher nun ändern. Neben Prof. Diekert und ihrem Jenaer Team sind Wissenschaftler der Universitäten Halle-Wittenberg und Leipzig, der TU Berlin, des Helmholz-Zentrums für Umweltforschung in Leipzig und der Universität im niederländischen Wageningen an der Forschergruppe beteiligt.
"Wir wollen herausfinden, wie die Reaktionsmechanismen ablaufen, wie der Prozess genetisch reguliert wird, wie die Organohalid-Respiration funktioniert und wie der gesamte biochemische Reaktionsapparat im Laufe der Evolution entstanden ist", kündigt Projekt-Sprecherin Diekert an. Das sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwar alles reine Grundlagenforschung. "Unsere Ergebnisse werden in der Zukunft aber auch zu praktischen Anwendungen führen", ist die Mikrobiologin überzeugt. Denn seien die Mechanismen erst einmal verstanden, ließen sie sich auch zum Abbau von anthropogenen Schadstoffen nutzen.
Kontakt:
Prof. Dr. Gabriele Diekert, Dr. Torsten Schubert
Institut für Mikrobiologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Philosophenweg 12, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 949300, 03641 / 949349
E-Mail: gabriele.diekert@uni-jena.de, torsten.schubert@uni-jena.de