Förderung der ambulanten Versorgung macht demografischen Wandel erst bezahlbar
Wissenschaftler kritisieren Forderung der Krankenkassen nach Aufkauf von Praxen
Berlin, 2. Juli 2013 Eine Stärkung der ambulanten Versorgung macht den demografischen Wandel bezahlbar, fasst Dr. Dominik von Stillfried, Geschäftsführer des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (ZI), die Ergebnisse einer Analyse des ZI zusammen. Deshalb setzen die Krankenkassen mit der Forderung nach der Schließung frei werdender Praxissitze das falsche Signal, so von Stillfried.
Dies belegt eine Analyse des ZI. Die Wissenschaftler haben die Regionen in Deutschland identifiziert, in denen jeweils die höchsten Anteile ärztlicher Versorgung und die niedrigsten von Krankenhausbehandlung vorliegen. In diesen Best-Practice Regionen werden die Menschen deutlich günstiger behandelt. Würden die Versorgungsstrukturen und die Arbeitsteilung zwischen der ambulanten und stationären Versorgung überall in Deutschland nach dem Vorbild dieser Best-Practice-Regionen entwickelt, könnten trotz der demografischen Alterung bis zum Jahr 2020 rund 2 Milliarden Euro eingespart werden, bis 2030 beträgt die Einsparung sogar 4 Milliarden Euro.
Nach Auffassung der Krankenkassen gibt es in den Ballungsräumen zu viele niedergelassene Ärzte. Der GKV-Spitzenverband hat deshalb vorgeschlagen, dass Kassenärztliche Vereinigungen verpflichtet werden sollten, frei werdende Praxissitze durch Aufkauf zu vernichten.
Aus Sicht der Forschung wäre dies eine fatale Entwicklung. Die Krankenkassen übersehen, dass immer mehr Behandlungsmaßnahmen aus dem Krankenhaus in die ambulante Versorgung durch die niedergelassenen Ärzte verlagert werden. Das ist gut für die Patienten, es erfordert aber auch mehr ambulante Behandlungskapazitäten. Die Ballungsräume übernehmen dabei eine wichtige überregionale Versorgungsfunktion für das Umland, so von Stillfried.
Für eine Förderung der ambulanten Versorgung zur Entlastung der stationären Versorgung hat sich jüngst auch der vom Bundesgesundheitsminister ernannte Sachverständigenrat im Gesundheitswesen ausgesprochen. Ein höherer Anteil ambulanter Versorgung gilt als Qualitätsmerkmal und könnte die Beitragszahler entlasten.
Ein Zwangsaufkauf von niedergelassenen Arztsitzen in Ballungsräumen wäre deshalb das falsche Signal für die Zukunft. Die ambulanten Versorgungsstrukturen müssen mit Augenmaß weiterentwickelt werden, fordert von Stillfried. Hierfür ist die Bevölkerungsstruktur und ihr Behandlungsbedarf genauso wichtig wie die Veränderung der Arbeitsteilung zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern.