Forsa-Umfrage: Thüringer wollen staatliche Krankenkassen

Im Dschungel der Krankenkassen wünschen sich die Menschen im Freistaat, so das Ergebnis einer aktuellen Forsa-Umfrage, einen höheren Einfluss des Staates auf das Gesundheitssystem. Foto: ddp
Grüner SV-Ausweis statt Chipkarte? Kassenpatienten in Thüringen wünschen sich bei der Krankenkasse offenbar die DDR wieder. Sie wollen beim Gesundheitssystem deutlich mehr staatlichen Einfluss.
Erfurt. Ginge es nach den Patienten in Thüringen, würde die Krankenversicherung womöglich in ein Gesundheitskombinat à la DDR verwandelt. Wie eine aktuelle Forsa-Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) zeigt, wünscht sich mit 74 Prozent eine ansehnliche Mehrheit, den staatlichen Einfluss auf das Gesundheitssystem zu stärken. "Grundsätzlich wollen die Bürger Wettbewerb und Wahlfreiheit, gleichzeitig aber auch eine gesicherte medizinische Versorgung in einem abgesteckten Rahmen, der vorgegeben und kontrolliert wird", sagte TK-Landeschef Guido Dressel.
Bei einer ähnlichen Umfrage der Kasse kurz vor der Wiedervereinigung hatten lediglich 4 Prozent der Befragten im Osten angegeben, eine Krankenkasse sollte ein staatliches Unternehmen sein.
Die Zahlen liefern Gesprächsstoff für Patienten und Gesundheitspolitiker. "Das als bloße Ostalgie abzutun, wäre falsch", sagte Thüringens Gesundheitsministerin Heike Taubert (SPD) im Gespräch mit unserer Zeitung. "Viele empfinden das jetzige System als ungerecht. Das müssen wir ernst nehmen."
Die Forderung nach deutlich mehr staatlicher Einflussnahme hat sich laut TK immer weiter verstärkt - besonders in den beiden Krisenjahren 2008 und 2009. Die Gründe dafür: Die Menschen zweifeln immer stärker an der Finanzierbarkeit des derzeitigen Gesundheitssystems. Immer mehr halten das Solidarprinzip, wonach jedem Versicherten unabhängig von seinem Einkommen, Alter oder Familienstand die gleichen Leistungen zusteht, für schlecht umgesetzt. Viele empfinden zudem, dass ihre finanzielle Belastung als Versicherter zu hoch ist. Und: Weil Kassenpatienten länger auf einen Termin beim Facharzt warten als Privatversicherte, stößt vielen die Zwei-Klassen-Medizin auf. Insgesamt stellen deshalb 92 Prozent der Thüringer das ganze System infrage und fordern teils massive Reformen. Dabei ist der Ruf nach staatlicher Kontrolle lauter als noch vor Jahren - und vor allem als im Westen.
Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hatte für die TK zum letzten Jahreswechsel insgesamt 1500 Bundesbürger befragt.
Fakten zu Krankenkassen
In Deutschland gibt es immer weniger Krankenkassen: Waren es 1990 noch 1147 sind es derzeit noch 156. Rund 90 Prozent aller Thüringer sind bei den 8 größten Anbietern versichert: AOK Plus, IKK classic, Barmer GEK, DAK, TK, Knappschaft, KKH Allianz, BKK Gesundheit.
13 Kassen kommen nicht mit ihren Einnahmen aus dem Gesundheitsfonds aus und verlangen Zusatzbeiträge von 8 bis 15 Euro.
95 Prozent der Leistungen einer gesetzlichen Krankenkasse sind genau festgelegt und damit bei allen Anbietern gleich.


Michael Wasner / 31.03.11 / TA