Befragung von Patienten - Zeugnis für den Doktor

Es ist ganz einfach, im Internet den richtigen Rasenmäher, pädagogisch wertvolles
Spielzeug oder den besten Flachbildschirm-Fernseher zu finden. Für den modernen Menschen
hält das Netz Informationen zu fast allen Themen bereit. Wonach man allerdings vergeblich
sucht, ist eine Antwort auf die Frage: Wie finde ich den richtigen, den besten Arzt? Nicht
mehr lange - glaubt man dem Bundesverband der AOK. Von Anfang Juni an nämlich sollen die
24 Millionen Versicherten der Ortskrankenkassen ihren Ärzten Zeugnisse ausstellen können
und sie so via Internet anderen Patienten empfehlen - oder eben nicht. Ist der Ärzte-Check
erst einmal aufgebaut, sollen alle 58.000 Hausärzte und ihre 62.000 Facharzt-Kollegen
regelmäßig von ihren AOK-Patienten bewertet werden.

"Bei unseren Versicherten besteht ein großer Bedarf an verlässlichen Informationen über
die Qualität und das Angebot von Ärzten", begründet der stellvertretende Vorsitzende des
Bundesverbandes, Jürgen Graalmann, das Vorhaben. Mit dem "Arzt-Navigator" wolle man eine
qualitativ hochwertige Orientierungshilfe für die Suche nach dem passenden Mediziner zur
Verfügung stellen.

Starten soll das Projekt zunächst in drei Modellregionen, in Hamburg, Berlin und
Thüringen. AOK-Versicherte, die dort wohnen, können künftig im Internet einen Fragebogen
ausfüllen, mit dessen Hilfe die Qualität des besuchten Arztes ermittelt werden soll. Im
Herbst dann sollen die ersten Zeugnisse veröffentlicht werden. So lange braucht es, um
eine ausreichende Zahl von Bewertungen zu sammeln. Denn nur durch eine große Datenmenge
kann nach AOK-Angaben sichergestellt werden, dass die Urteile über die einzelnen Mediziner
nicht manipuliert oder verfälscht sind.

Entwickelt hat die AOK den Ärzte-Check in Zusammenarbeit mit der Bertelsmann Stiftung.
"Wir möchten, dass Patienten und ihre Angehörigen bei der Auswahl von Gesundheitsanbietern
aktiv entscheiden können", sagt Brigitte Mohn, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung.
Man wolle Informationen vermitteln, die jeder verstehen könne, nicht nur Fachleute.

Wenn die Internetseite im Juni freigeschaltet ist, können sich die AOK-Patienten mit ihrer
Versichertennummer anmelden. Dann erscheint ein Formular mit insgesamt 30 Fragen, in deren
Zentrum Aspekte stehen, die der Versicherte beurteilen kann: Wie kommuniziert der Arzt?
Bindet er den Patienten in die Entscheidungen über die Behandlung ein? Nimmt er sich
genügend Zeit? Ist die Wartezeit zu lang? Ist die Intimsphäre gewahrt?

Kontrolle in vielen Punkten
Im Mittelpunkt der Befragung stehen soziale, kommunikative und organisatorische Aspekte,
weniger medizinische. Zum Abschluss allerdings wird die Frage gestellt, ob der Patient
seinem besten Freund empfehlen könne, diesen Arzt aufzusuchen. Raum für eigene
Formulierungen gibt es nicht. Pro Arzt können die Patienten nur ein Urteil abgeben. Die
Ergebnisse sollen auch den Versicherten anderer Kassen zugänglich sein. Die beurteilten
Ärzte haben die Möglichkeit, die Zeugnisse zu sperren. Dies wird dann allerdings vermerkt.

Mit den Beschränkungen will die AOK den zu erwartenden Protesten der Ärzteschaft
entgegenwirken. Diese hatten vor einer "Casting-Show für Mediziner" gewarnt und wüste
Schmähungen befürchtet, wie sie bei anderen Online-Portalen regelmäßig vorkommen können.
Diesen Sorgen tritt Graalmann entgegen: "Es geht uns nicht darum, Ärzte an den Pranger zu
stellen."

Guido Bohsem

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