Chronische Schmerzen bestimmen Alltag von mehr als 90.000 Sachsen-Anhaltern

Arztreport der Barmer GEK

In Sachsen-Anhalt werden mehr als 90.000 Menschen wegen Chronischer Schmerzen behandelt – das sind 4,4 Prozent aller gesetzlich Krankenversicherten. „Zwischen Arendsee und Zeitz leiden damit um ein Zehntel mehr Menschen an dauerhaften Schmerzen als im Bundesdurchschnitt (4,0%)“, sagt Axel Wiedemann, Landesgeschäftsführer der Barmer GEK. Dabei hat sich der Anteil der von Chronischen Schmerzen Betroffenen innerhalb von zehn Jahren verdoppelt. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Barmer GEK Arztreport, der auf Basis von 8,6 Millionen Versichertendaten zum ersten Mal valide Aussagen zu dieser Volkskrankheit liefert.

Oft weitere Erkrankungen und Gefahr von Polypharmazie

„Chronische Schmerzen sind eine eigenständige Erkrankung, die sehr spezifisch behandelt werden muss“, erläutert Axel Wiedemann. Die Patienten sind massiv in ihrer Lebensqualität eingeschränkt und häufig von einer Vielzahl an Erkrankungen betroffen. „Sehr häufig ist ihr Alltag geprägt von Rückenschmerzen, Krankheiten der Wirbelsäule, einer Arthrose des Kniegelenks oder auch kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen und Bluthochdruck“, ergänzt er.

Deshalb bekommen Schmerzpatienten 70 Prozent mehr Arzneimittel verordnet als Gleichaltrige, die nicht unter dauerhaften Schmerzen leiden. „Im Durchschnitt erhalten sie Tag für Tag 4 bis 5 Medikamente, Patienten älter als 65 Jahre sogar mehr als 10 Medikamente“, verweist Wiedemann auf das Problem der Polypharmazie. Insbesondere bei älteren Schmerzpatienten sind auch immer wieder ungewollte Wechselwirkungen der verabreichten Medikamente zu beobachten. „Uns als Krankenkasse geht es darum, die medizinische Versorgung von Patienten mit Chronischen Schmerzen so zu verändern, dass sie deren spezifischen Bedürfnissen entspricht.“

Schmerztherapie im Krankenhaus verspricht Linderung
Aus langjähriger Erfahrung mit Schmerzpatienten weiß Oberarzt Dr. Tobias Petz von den Pfeifferschen Stiftungen in Magdeburg: „Auch bei der Behandlung im Krankenhaus muss für jeden Patienten die richtige Mischung gefunden werden. Es gibt nicht das eine Verfahren gegen den Dauerschmerz. Der Grund liegt in der Vielfältigkeit des Phänomens selbst, da Chronische Schmerzen durch viele komplexe Faktoren beeinflusst werden. Bei der multimodalen Schmerztherapie werden deshalb umfassende Information und Schulung des Patienten, medikamentöse Therapie, körperliche Aktivierung, Physiotherapie und Ergotherapie sowie psychotherapeutische Verfahren kombiniert.“

Dr. Petz begrüßt, dass die Barmer GEK in ihrem aktuellen Arztreport umfassende Daten zum Thema Schmerz vorlegt. „Denn die Gruppe der Betroffenen ist groß. Viele Patienten haben einen langen Leidensweg hinter sich und verbinden eine stationäre multimodale Schmerztherapie mit einer letzten Hoffnung auf Linderung.“ Und der Oberarzt ergänzt: „Für jede Form von Schmerz gilt: Dauert er an, können Ängste und Depressionen zu Begleitern werden. Deshalb gehört zu Diagnose und Therapie immer auch eine ausführliche Anamnese, also das Gespräch mit dem Patienten.“ Nach den Analysen der Barmer GEK erhielten 2014 in Sachsen-Anhalt mehr als 2000 Betroffene eine multimodale Schmerztherapie. Bezogen auf 100.000 Einwohner waren dies 104 Patienten, bundesweit lag der Durchschnitt bei 75.

Schmerzen als Volkskrankheit?!
Chronische Schmerzen sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. Weitaus mehr Menschen leiden unter gelegentlichen Schmerzen. So wurden mehr als 46 Prozent aller Versicherten im Jahr 2014 mindestens einmal vom Haus- oder Facharzt wegen direktem Schmerzbezug behandelt. In Sachsen-Anhalt waren dies rund 970.000 Menschen. Wobei der Anteil der Frauen mit 55 Prozent den Anteil der Männer (37 Prozent) erheblich übersteigt. Zudem legt der Arztreport einen Schluss nahe: „Gerade bei Schmerzpatienten setzen wir auf einen weiteren Ausbau der Lotsenfunktion des Hausarztes, auch um so einer Chronifizierung von Schmerzen und einer Schmerzmittelüberversorgung vorzubeugen“, so Wiedemann.