Offener Brief an die Landesregierung Sachsen-Anhalt, Landtags-/Stadtratsmitglieder (Halle) und die Mitglieder des Wissenschaftsrats

„Niemand hat die Absicht, eine Fakultät zu schließen.“

Wir, die Mitarbeiter der Universitätsmedizin Halle, haben der MZ vom 01.07.2013 entnommen, dass vom Wissenschaftsrat (WR) dem Land empfohlen werden soll, die vorklinische Ausbildung und die klinisch-theoretischen Bestandteile des klinischen Studiums  im Studiengang Medizin nach Magdeburg bzw. im Studiengang Zahnmedizin nach Leipzig zu verlagern. Dies würde für die Medizinische Fakultät, für das Universitätsklinikum und für die Studierenden der Medizin und Zahnmedizin ein Sterben auf Raten bedeuten.  

Der Wissenschaftsrat hatte drei Kernbereiche zu beurteilen: Lehre, Forschung und Krankenversorgung. Die nicht begründete und nicht nachvollziehbare Empfehlung, die Vorklinik und klinisch-theoretische Fächer an andere Standorte zu verlagern, ist willkürlich. Bezüglich der Kritik an der Forschung vermissen wir im Übrigen die faire Erörterung, welche Fortschritte in der Forschung innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit von ca. 2,5 Jahren realistischerweise erwartet werden konnten. Bei wohlwollender Betrachtung hätte man ebenso formulieren können, dass es der Fakultät in dieser (für akademische Verhältnisse) extrem kurzen Zeitspanne gelungen ist, einen Schwerpunkt mit Alleinstellungsmerkmal und Entwicklungspotential zu entwickeln. Die Empfehlung der Abschaffung bestimmter Ausbildungsteile als „Profilschärfung“ zu bezeichnen, die angeblich „strukturell und finanziell attraktive Rahmenbedingungen für Professoren und Ärzte“ schafft, ist zynisch.

Insgesamt bleibt uns Mitarbeitern das deprimierende Gefühl, dass das enorme und spürbare Engagement der letzten Jahre zur Standortverbesserung eine Verschwendung von Zeit und Ressourcen war, da das Ergebnis einer erneuten Beurteilung scheinbar von vornherein feststand und wir nie eine Chance hatten, den Entscheidungsprozess zu beeinflussen.

Es drängt sich geradezu der Verdacht auf, dass das Land um jeden Preis an der Bildung am Standort Halle, an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, sparen und tatsächlich nur noch eine Voll-Universität finanzieren will, die unter allen Umständen in der Landeshauptstadt Magdeburg verortet sein muss. Die Martin-Luther-Universität bildet jedoch den Lebensnerv der Stadt Halle in dieser ohnehin strukturschwachen Region. Allein die Universitätsmedizin beschäftigt derzeit ca. 4.000 Mitarbeiter und ist damit einer der größten Arbeitgeber. Hinzukommen die nicht bezifferbaren, indirekten Infrastruktur-Effekte.

Besonders paradox: Trotz guter Lehre würden langfristig weder (Zahn-)Mediziner noch Gesundheits- und Pflegewissenschaftler mehr in Halle ausgebildet werden. Auch wenn die in der MZ abgebildete Tabelle einen anderen Eindruck zu suggerieren versucht: die Absolventenzahlen sind im Mittel konstant bzw. leicht steigend, im Jahr 2012 haben 207 Medizinstudenten ihr Studium in Halle erfolgreich beendet. Völlig offen ist die Frage, wo dann künftig Ärzte- und insbesondere Fach- und Zahnärztenachwuchs für den südlichen Landesteil (incl. Allgemeinmediziner für den ländlichen Raum) herkommen soll. Gerade für unsere Region dürfte es unumgänglich sein, diesen Nachwuchs selbst auszubilden. Der „Halte-Effekt“ von Hochschulen gerade in Zeiten des demografischen Wandels ist mittlerweile wissenschaftlich belegt.

Wir appellieren daher an Ihr Verantwortungsbewusstsein, dem Standort der Universitätsmedizin Halle eine realistische Entwicklungschance einzuräumen, d.h. insbesondere keine Ausbildungsabschnitte in Halle zu schließen, um den eingeschlagenen Weg als Mitarbeiter engagiert weiter verfolgen zu können.