Versorgungsatlas: Die Menschen in Sachsen-Anhalt werden in der Zukunft mehr ärztliche Arbeitszeit benötigen

Versorgungsatlas: Die Menschen in Sachsen-Anhalt werden in der Zukunft mehr ärztliche Arbeitszeit benötigen

Ein neuer Index zeigt den zusätzlichen relativen Zeitaufwand niedergelassener Ärzte für die Patientenversorgung
in den einzelnen Bundesländern, Städten und Landkreisen bis zum Jahr 2035

Die deutsche Bevölkerung wird älter und konzentriert sich zunehmend in Städten. Was dies für die medizinische Versorgung auf der regionalen Ebene der Bundesländer, Landkreise und kreisfreien Städte bedeutet, haben Wissenschaftler vom Versorgungsatlas erstmals mit einer neuen Modellrechnung ermittelt. Der Index zeigt, dass der Bedarf an ärztlicher Arbeitszeit pro Patient auch in Sachsen-Anhalt bis zum Jahr 2035 bei einigen Facharztgruppen zunehmen wird.

Urologen, Augenärzte, Fachinternisten und Hausärzte führen die Liste jener Facharztgruppen an, die in den kommenden Jahren bis 2020 und 2035 zeitlich stärker von Patienten beansprucht werden dürften als im Vergleichsjahr 2012. Aufgrund der demografischen Entwicklung (siehe Kasten) wird die Beanspruchung in Sachsen-Anhalt bei den Urologen um drei Prozent steigen, bleibt aber deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 23 %. Ähnlich fällt die Prognose auch bei den Augenärzte aus: Die Beanspruchung wird um zwei Prozent wachsen, im Bundesdurchschnitt um 20%. Bei den Fachinternisten und Hausärzten liegt der relativeBedarf sogar leicht unter jenem des Jahres2012, wobei es auf Kreisebene auch deutlicheUnterschiede und Werte im Bereich des Bundesdurchschnitts gibt.

»Unsere Modellrechnung ist eine Möglichkeit, die zukünftige relative zeitliche Beanspruchung von Vertragsärzten aufgrund der demografischen Entwicklung abzuschätzen«, erklärt Dr. Mandy Schulz, die Erstautorin der Studie. Die Projektion zeigt entsprechend eine erhöhte Beanspruchung von Facharztgruppen, die hauptsächlich an der Behandlung älterer Menschen beteiligt sind und eine verminderte Beanspruchung von Kinder- und Frauenärzten. »Der neue Index macht vor allem deutlich, dass heutige
Vorstellungen davon, welche Regionen über- oder unterversorgt sind, mit Blick auf die nahe Zukunft auf den Prüfstand gehören. Das gilt besonders dann, wenn zusätzlich berücksichtigt wird, dass der medizinische Fortschritt immer mehr ambulante Behandlungen möglich und immer weniger Krankenhausbehandlung notwendig macht«, kommentiert Dr. Dominik von Stillfried, Geschäftsführer des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung die Studie.

Die Ursachen der regionalen Unterschiede. Der demografische Wandel in Deutschland vollzieht sich nicht einheitlich. Die wirtschaftlich starken Zuwanderungsregionen locken vor allem Jüngere an. Der Anstieg des Durchschnittsalters fällt dort geringer aus und wird ein paar Jahre in die Zukunft verschoben.

Auf der anderen Seite stehen Abwanderungsregionen, die durch eine unterdurchschnittliche Wirtschaftskraft gekennzeichnet sind und zum Teil erheblich an Bevölkerung verlieren werden. In den Zuwanderungsregionen wird der Bedarf an vertragsärztlichen Leistungen vor allem aufgrund der steigenden Einwohnerzahlen generell steigen. Setzt dann die demografische Alterung dieser Bürger ein, wachsen die Ansprüche an die ärztliche Versorgung erneut. Dies gilt etwa für die Großräume München, Berlin sowie Regionen um Hamburg. Auch Regionen in West-Niedersachsen sowie in Teilen Baden-Württembergs werden davon betroffen sein.

In Abwanderungsregionen steigt der Altersdurchschnitt der Bevölkerung nach heutigen Vorausberechnungen stark an, da die jüngeren Menschen wegziehen. „Die Älteren in diesen Regionen werden mehr Arztzeit je Patient benötigen“ sagt Dr. Jörg Bätzing-Feigenbaum, Leiter des Versorgungsatlas.

Nur wenn die Bevölkerungszahlen sehr stark sinken, was Experten insbesondere in Teilen der neuen Bundesländer erwarten, kann in einigen Regionen trotzdem der Bedarf an Arztzeit in der ambulanten Versorgung insgesamt zurück gehen.