Wegweisende Erkenntnisse zur Behandlung von Blutstrominfektionen gewonnen
PRESSEMITTEILUNG der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und der Universität zu Köln
Nr. 03/2024
Magdeburg, 18. Januar 2024
Studie belegt Wirksamkeit und Sicherheit einer oralen Antibiotikatherapie in Tablettenform bei Blutstrominfektionen durch Staphylococcus aureus. Bislang sind Infusionen der Behandlungsstandard.
Eine internationale klinische Studie unter der Leitung von Professor Dr. med. Achim Kaasch, Leiter des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und Professor Dr. med. Harald Seifert, ehemaliger stellvertretender Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene der Uniklinik Köln, konnte entscheidende neue Erkenntnisse zur Behandlung von Blutstrominfektionen mit dem Erreger Staphylococcus aureus (SAB) gewinnen. Die Forschungsarbeit zeigt, dass bei Patient:innen mit niedrigem Risiko für das Auftreten von Infektionskomplikationen eine frühzeitige Umstellung auf eine orale Antibiotikatherapie genauso wirksam und sicher ist wie die Fortsetzung der herkömmlichen intravenösen Behandlung. Für Patient:innen ermöglicht dieser neue Therapieansatz eine einfachere Behandlung und eine schnellere Entlassung aus dem Krankenhaus. Die Ergebnisse der Studie, an der neben Forschenden in Magdeburg und Köln auch Wissenschaftler:innen der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) beteiligt waren, sind in dem Fachjournal The Lancet Infectious Diseases veröffentlicht worden.
Das Bakterium Staphylococcus aureus ist weltweit einer der häufigsten Krankheitserreger, der schwere Blutstrominfektionen – auch Sepsis oder Blutvergiftung genannt – verursachen kann. Schätzungsweise 30.000 Menschen erkranken in Deutschland jedes Jahr allein an dieser Infektion, etwa 25 Prozent der Betroffenen versterben in den ersten 3 Monaten. Professor Kaasch erklärt: „Wenn eine SAB nicht ausreichend behandelt wird, besteht die ernsthafte Gefahr, dass die Infektion auf andere Körperteile übergreift. Selbst nach einer erfolgreichen Behandlung kann sich eine Infektion oft über mehrere Monate hinweg negativ auf den Genesungsprozess der Betroffenen auswirken.“
Eine herkömmliche Behandlung von SAB erfolgt für mindestens 14 Tage mit intravenös verabreichten Antibiotika im Krankenhaus. Die Untersuchung der Forschungsgruppe fokussierte sich auf die Frage, ob bei Patient:innen mit SAB eine orale Therapie mit Tabletten genauso effektiv ist wie die herkömmliche intravenöse Behandlung. „Wir haben herausgefunden, dass eine frühzeitige Umstellung auf eine orale Antibiotikatherapie nach 5 bis 7 Tagen einer intravenösen Behandlung genauso sicher und wirksam ist, wie die etablierte intravenöse Standardtherapie“, so Kaasch. Dennoch sei laut dem Mikrobiologen eine sorgfältige Beurteilung von Patient:innen auf Anzeichen und Symptome erforderlich, um zu klären, ob Infektionskomplikationen bereits vorliegen. Nur wenn diese ausgeschlossen sind, könne eine orale Umstellungstherapie in Betracht gezogen werden.
Die Ergebnisse dieser wegweisenden Studie markieren einen entscheidenden Fortschritt in der Behandlung von Staphylococcus aureus Blutstrominfektionen und bieten Hoffnung auf eine verbesserte Versorgung von Patient:innen weltweit. „Mit diesen Erkenntnissen eröffnet sich die Möglichkeit, die Behandlung zu vereinfachen und Patientinnen und Patienten schneller zu entlassen“, betont Kaasch.
In weiteren Studien wollen die Wissenschaftler:innen verschiedene Fragen zur Diagnose und Behandlung von SAB untersuchen. „Besonders relevant ist nun die Prüfung einer Umstellung auf eine orale antibiotische Therapie nach initialer intravenöser Behandlung auch bei Patient:innen mit komplizierten Staphylococcus aureus Blutstrominfektionen“, erläutert Professor Seifert von der Kölner Universitätsmedizin und Initiator der Studie. „Dazu liegen bislang noch keine Erkenntnisse vor.“
Wissenschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann betonte: „Es ist kein Zufall, dass diese wegweisende internationale Studie unter Federführung der Universitätsmedizin Magdeburg entstanden ist. Sie steht in vielen Bereichen für Medizinforschung der Spitzenklasse, von der neben Wissenschaft und akademischer Lehre auch zahlreiche Patientinnen und Patienten profitieren. Dabei hat sich gerade die Mikrobiologie unter Leitung von Prof. Kaasch in den vergangenen Jahren national wie international einen beachtlichen Namen gemacht. Die Tatsache, dass hier erzielte Forschungsergebnisse weltweit Beachtung finden, stärkt auch den Wissenschaftsstandort Sachsen-Anhalt insgesamt.“
Bei der durchgeführten Studie handelt es sich um eine multizentrische, kontrollierte klinische Nichtunterlegenheits-Studie. Sie wurde an 31 Standorten in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Spanien durchgeführt. Eine solche Studie soll zeigen, dass eine neue Behandlungsmethode gleichwertige Ergebnisse zur etablierten Behandlung erzielt. Insgesamt wurden Daten von über 5.000 Patient:innen erhoben. Die Studie schloss 213 Teilnehmer:innen ein, wobei 108 der oralen Gruppe und 105 der intravenösen Gruppe zufällig zugeteilt wurden. Sie wurde gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft.
Originalpublikation: Efficacy and safety of an early oral switch in low-risk Staphylococcus aureus bloodstream infection (SABATO): an international, open-label, randomised, controlled, non-inferiority trial; The Lancet Infectious Diseases; 18.01.2024; DOI https://doi.org/10.1016/S1473-3099(23)00756-9
Wissenschaftliche Kontakte:
Prof. Dr. med. Achim Kaasch, Direktor am Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Telefon: +49-391-67-13392, achim.kaasch@med.ovgu.de
Prof. Dr. med. Harald Seifert, ehemaliger stellvertretender Direktor am Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene der Uniklinik Köln, harald.seifert@uni-koeln.de
Portraitfotos:
Prof. Dr. med. Achim Kaasch, Fotografin: Sarah Kossmann/Universitätsmedizin Magdeburg
Prof. Dr. med. Harald Seifert, Universitätsklinik Köln